Leben mit HIV in Österreich und Kenia

Der Dezember steht ganz im Thema: Leben mit HIV in Österreich und Kenia. Dazu wurden Interviews mit unserem kenianischen Mitarbeiter Chris und Mag.a Ingrid Neumaier (AIDS Hilfe OOE) durchgeführt. Im Folgenden wurde versucht einen Vergleich der Lebensumstände von HIV infizierten Menschen in Österreich und Kenia herzustellen.

1.       Mit welchen Herausforderungen sind HIV-positive Personen in ihrem Alltag konfrontiert?

Es sind zwar Verbesserungen über die Jahre hindurch zu erkennen, jedoch ist die Stigmatisierung in Kenia immer noch sehr groß. Vor allem unter männlichen Betroffenen gibt es viele Menschen, die sich davor scheuen sich ihren HIV-Status überprüfen zu lassen, um ausschließen zu können, dass eine HIV-Infektion vorliegt. Sie nehmen im Geheimen ihre Medizin ein, um nicht an öffentlichen Orten um Hilfe bitten zu müssen. Unter Kindern und jungen Erwachsenen, insbesondere im Schulbereich ist die Scham so groß, dass HIV-infizierte MitschülerInnen totgeschwiegen werden, um dem HIV-infizierten Kindern keinen Ausschluss aus der Schulgemeinschaft zumuten zu müssen. Dadurch wird jedoch eine Weiterverbreitung riskiert.

Menschen, die mit einer HIV-Infektion leben müssen, brauchen eine gute und abwechslungsreiche Ernährung (Gemüse, Obst, Eiweiß etc.) und eine gute Gesundheitsvorsorge- und Betreuung. Außerdem müssen sie regelmäßig Medikamente einnehmen, um trotz des Virus ein möglichst normales Leben führen zu können. Medikamente werden teilweise durch die Regierung finanziert und an HIV infizierte Menschen vermittelt, jedoch kann es hierbei zu Engpassen oder sogar dazu kommen, dass zeitweise manche Menschen keine Medikamente bekommen. Außerdem können es sich in Kenia viele nicht leisten, sich ausgewogen zu ernähren, weshalb die Möglichkeit besteht, dass die Medikamente nicht so wirkungsvoll sind, wie sie sein könnten.

In Österreich sieht die Situation, die Stigmatisierung betreffend, ähnlich aus. Denn auch das „alte Stigma“, dass HIV/Aids nicht heilbar und leicht übertragbar ist, ist noch immer tief in den Köpfen (vor allem der älteren, aber der auch jungen Generation) verankert. Jedoch ist diese weit verbreitete Vermutung schon lange nicht mehr richtig. HIV ist in Österreich gut behandelbar und mit einer guten medikamentösen Behandlung ist eine Übertragung nur noch selten möglich (abhängig vom Status der Erkrankung). Zudem kann HIV/Aids nicht über z.B. Händeschütteln oder Küssen übertragen werden. Es sind große Mengen an Körperflüssigkeiten nötig, um genug Viren für eine Übertragung zu erreichen (Safer Sex first). Im Gegensatz zu den Herausforderungen in Kenia kann in Österreich eine HIV-Infektion jedoch effektiver behandelt werden, da die Gesundheitsversorgung besser ist und sich zudem der Großteil der Bevölkerung eine ausgewogene und gesunde Ernährung leisten kann.

Selbstisolation ist sowohl in Kenia als auch in Österreich ein verbreitetes Phänomen. Hier schotten sich erkrankte Personen bewusst von der Gesellschaft ab. In Österreich wird versucht durch Selbsthilfegruppen, in denen sich HIV-Infizierte austauschen können oder durch eine enge Vertrauensbasis zu medizinischem Personal, Menschen aus ihrer Situation zu befreien. In Kenia leisten wir durch den Verein „Daraja- die Brücke“ eine solche Möglichkeit. Denn es werden monatlich Gruppentreffen unter Betroffenen abgehalten und unsere SozialarbeiterInnen betreuen HIV-Infizierte und unterstützen sie auch mit einer mobilen Klinik.


2.       Werden deines Erachtens Personen aufgrund ihres HIV-Status diskriminiert? In welchen Bereichen wird diese Diskriminierung besonders sichtbar?

Menschen in Kenia, die von einer HIV-Infektion betroffen sind leiden oftmals unter Diskriminierung. Diese Diskriminierung kann sogar ihren beruflichen Erfolg beeinflussen. Manche Menschen können keine Produkte mehr verkaufen, da Menschen Angst haben, dass der Virus an den Produkten haftet. Kinder in Schulen, deren HIV-Infektion öffentlich gemacht wurde, werden oftmals aus der Klassengemeinschaft ausgeschlossen. MitschülerInnen wollen sich meistens von ihnen keine Lernutensilien ausborgen.

In Österreich findet, laut der Aids-Hilfe Oberösterreich (Report 2019), Diskriminierung der Betroffenen vor allem im Gesundheitsbereich statt, wo HIV-positive Personen bewusst abgeschottet werden, um andere Menschen nicht zu ‚gefährden‘. Für dieses Vorgehen gibt es aber keine medizinische Notwendigkeit, da der Virus nicht über Tröpfcheninfektion übertragen werden kann.

Interview (Mag.a Ingrid Neumaier, AIDS Hilfe OOE):

 Jedenfalls braucht es ganz schön viel Mut und Selbstbewusstsein sowie sozial sicheren Background, um seine HIV-Diagnose mitzuteilen – und das schon im Familien-/Freundeskreis. Viele haben Glück und gute Freunde oder eine Familie, die zu ihnen hält und Verständnis aufbringt, aber es gibt auch die andere Seite. In manchen Communities in Österreich werden die „ungewollten Outings“ besonders schlimm erlebt. Da verbreitet sich diese Info wie ein Lauffeuer und die Personen werden tatsächlich im Alltag diskriminiert (werden nicht mehr eingeladen,…). Wir haben sogar den Fall, dass der HIV-negativen Frau eines HIV-Patienten in der Community NICHT geglaubt wird, dass sie NICHT HIV-positiv ist. Weil ihr Mann es ist, MUSS sie das doch auch sein. Da sieht man wieder den geringen Wissensstand. Aber nicht nur dort. Besonders im medizinischen und pflegerischen Bereich erleben wir es immer wieder, dass über U = U (U = U (undetectable = untransmittable), also unter der Nachweisgrenze = nicht mehr ansteckend!)  keinerlei Wissen herrscht. Auch werden HIV-Diagnosen von ÄrztInnen oft nicht erkannt, deshalb hat es dazu gerade eine eigene österreichweite Kampagne gegeben: https://aids.at/einfachtesten/

Vorurteile mit Wissen zu bekämpfen, ist hier eine wichtige Strategie der Aids-Hilfe Oberösterreich.

Verfasserin: Klara Reinthaler