Folgen des Ukraine-Kriegs für Kenia -  Größte Hungerkatastrophe seit Jahrzehnten droht in Ostafrika 

Putins brutaler Angriffskrieg gegen die Ukraine hat bereits jetzt globale Auswirkungen ungeahnten Ausmaßes. Russland und die Ukraine, insbesondere als die Kornkammer Europas bekannt, waren vor dem Krieg für 28 Prozent der globalen Weizenexporte verantwortlich. Zwischen Jänner und März dieses Jahres ist der Preis für Weizen um 61 Prozent gestiegen. Vor allem Länder wie Ägypten, Kenia, der Südsudan oder der Libanon als die Hauptabnehmer von russischem und ukrainischem Weizen und Mais haben nun mit massiven Teuerungen und Lebensmittelknappheit zu kämpfen. Am schlimmsten ist die Situation am Horn von Afrika. Fast 20 Millionen Menschen sind dort derzeit von einer Hungerkatastrophe bedroht, berichtet das Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen. Nach den pandemiebedingten Lockdowns und den sich häufenden Dürren in der Region südlich der Sahara hat der Ukraine-Krieg die Situation drastisch verschärft.

Was das längerfristig bedeuten kann, erklärt der Internationale Währungsfonds IWF: die Ernährungssicherheit in der Region wird untergraben, die Armutsrate steigt und die Einkommensungleichheit vergrößert sich, „was möglicherweise zu sozialen Unruhen führen könnte“. Besonders Kinder haben unter den gegenwärtigen Entwicklungen zu leiden. In Kenia, Somalia und Äthiopien ist das Leben von mindestens 1,7 Millionen schwer mangelernährten Kinder in Gefahr, schätzt die UNICEF. Nicht nur akuter Hunger ist das Problem. Besonders bei Kleinkindern, deren Familien sich nährstoffreiche Lebensmittel wie Obst und Gemüse nicht mehr leisten können, verläuft die geistige und körperliche Entwicklung deutlich schlechter.

Auch für unsere Projektmitglieder in Emali und Umgebung sind die Folgen des Ukraine-Kriegs schmerzlich zu spüren.  Die Lebensmittelpreise sind bereits seit Ausbruch der Corona-Pandemie auf einem Rekordhoch. Der Preis für einen Liter Speiseöl hat sich im März noch einmal verdoppelt. Hinzu kommen die steigenden Treibstoffpreise, die den Personen- und Warenverkehr im Landesinneren stark einschränken. An vielen Tankstellen gab es plötzlich keinen Treibstoff mehr, berichten unsere ProjektpartnerInnen aus Kenia. Unter den schwierigen ökonomischen Bedingungen ist es für viele Familien auch hart, das Schulgeld für die Kinder weiter aufzubringen.

Fast alle Gruppenmitglieder müssen derzeit mit Lebensmittelpaketen unterstützt werden. Unsere Partnerorganisation Mt. Zion hat jene Menschen im Projekt, die vom Obst- und Gemüseverkauf leben, zudem mit Notfalls-Zahlungen für ihre Geschäfte unter die Arme gegriffen. Die MitarbeiterInnen machen sich bei den Gruppentreffen und Hausbesuchen ein Bild von der Lage und helfen mit Beratungsgesprächen. Außerdem wurden die Kosten für Medikamente für die Menschen im Projekt übernommen, um die Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Denn gerade in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit ist es essenziell, dass die HIV-positiven Erwachsenen und Kinder gesundheitlich stabil bleiben.

Weitverbreitet ist der Mythos, es wäre nicht genug Nahrung vorhanden, um alle Menschen auf diesem Planeten zu versorgen. Doch die Lebensmittelknappheit ist menschengemacht, wie das World Food Programme WFP oder das globalisierungskritische Netzwerk ATTAC betonen: bewaffnete Konflikte, der Klimawandel, fehlende Lagermöglichkeiten oder mangelhafte Versorgungsketten befördern Nahrungskrisen in den ärmeren Regionen der Welt, während in den Industrienationen tagtäglich Unmengen an Lebensmitteln weggeworfen werden. Strategien, wie Nahrungsmittelsicherheit weltweit garantiert werden könnte, gäbe es in der Theorie genug. ExpertInnen und NGOs beschäftigen sich seit Jahrzehnten damit. Beispiele hierfür sind die verstärkte Unterstützung von Kleinbauern und -bäuerinnen in Ländern des globalen Südens, Investitionsideen für trockenresistenten Anbau und vor allem die Regulierung von Lebensmittelspekulation. Doch dazu braucht es auch den Willen der Verantwortlichen zur Umsetzung.

Bericht: Sophie Weilandt

Quellen:

https://de.wfp.org/stories/10-mythen-ueber-den-welthunger

https://www.dw.com/de/ukraine-aktuell-mit-dem-krieg-drohen-weltweit-hungersn%C3%B6te/a-61802615

https://www.unicef.ch/de/ueber-unicef/aktuell/medienmitteilungen/2022-05-16/schwere-akute-mangelernaehrung

https://www.attac.at/news/details/ukraine-krieg-finanzspekulation-treibt-millionen-in-den-hunger

Foto von  2015 (Praktikumsreise)